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Zahlen, Zählen und Mathematik

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Die folgenden kurzen Texte sollen den Zugang zur Mathematik erleichtern und das Verständnis für diese Wissenschaft wecken.
Dies ist mindestens ebenso wichtig wie die Übung in der Lösung mathematischer Aufgaben.
Dabei wurde versucht, die Sachen so einfach wie möglich darzustellen, jeden gedanklichen Schritt nachvollziehbar zu formulieren und alles so zu erklären, dass man es auch ohne besondere Fachkenntnisse verstehen kann.


Inhalt:

Zahlen, Ziffern und Zahlensysteme

Mengen mit einer bestimmten Anzahl von Elementen

Was zählen die Zahlen der reinen Mathematik?

Die Nachteile unsystematischer Zahlwörter

Eine Definition der Zahlwörter des Dezimalsystems

Ein Schema, um die Zahlen des Dezimalsystems zu erzeugen

Zählen

Zahlen als Namen

Die Zahlenfolge als universell einsetzbares Ordnungsprinzip

Zahlen für die Festlegung und Einhaltung einer bestimmten Ordnung

Zahlen zur Beschreibung einer Reihenfolge


Textanfang:

Zahlen, Ziffern und Zahlensysteme

Mit der (deutschen) Sprache lernen wir Wörter wie "ein", "zwei" oder "drei" auszusprechen und in Sätzen zu verwenden wie: "Mein Auto hat vier Räder", "Noch fünf Sekunden bis zum Start", "Der Tisch ist zwei Meter lang" oder "In der Schale waren heute morgen zehn Mandarinen".

Wir benötigen diese Art von Wörtern, um z. B. die Frage: "Wie viele Mandarinen waren heute morgen in der Schale?" genau beantworten zu können. Dies sind Fragen nach der Anzahl der jeweils benannten Dinge wie z. B. "Mandarinen in der Schale". Wenn geantwortet wird: "In der Schale waren ziemlich viele Mandarinen", so bleibt das ungenau. Die genaueste und damit informationsreichste Antwort auf Fragen nach der Anzahl ("wie viele?") geben Zahlen: "Es waren zehn Mandarinen in der Schale." Man findet die gesuchte Zahl, indem man die betreffenden Dinge zählt.

Im Vorangegangenen wurden die Zahlen als Zahlwörter ("zehn") geschrieben, also mit den Buchstaben des Alphabets so wie andere Wörter auch. Man kann Zahlen jedoch auch unter Verwendung von Ziffern ("1", "0") schreiben. Dies hat erhebliche Vorteile: Die Ziffernschrift ist sehr viel kürzer und sie ist international verständlich. Außerdem lassen sich Berechnungen - bei Verwendung geeigneter Zahlensysteme - in der Ziffern-Schreibweise leichter schematisieren und so vereinfachen. 

Die Wörter "Ziffer" und "Zahl" werden manchmal als austauschbar behandelt. Sie bedeuten jedoch etwas Verschiedenes. Die Ziffern entsprechen den Buchstaben in einem Text, während die Zahlen den Wörtern entsprechen. Zahlen werden durch die Aneinanderreihung von Ziffern gebildet, so wie Wörter durch die Aneinanderreihung von Buchstaben gebildet werden.

Die Verwechslung von "Ziffer" und "Zahl" entsteht wahrscheinlich daraus, dass im Dezimal-System die einstelligen Zahlen von 0 bis 9 genauso gesprochen und geschrieben werden wie die Ziffern, aus denen sie gebildet werden. So wird die Zahl "5" durch die Ziffer "5" ausgedrückt und die Zahl "9" durch die Ziffer "9". Aber es gibt keine Ziffer, die die Zahl "10" bedeutet. Die Zahl "10" wird stattdessen durch Aneinanderreihung der beiden Ziffern "1" und "0" gebildet. 

So wie es nun unterschiedliche Arten von Buchstaben gibt, z. B. lateinische (A - B - C) und griechische
(α - β - µ - π), so gibt es auch unterschiedliche Arten von Ziffern, z. B. arabische (1 - 2 - 3) und römische (I - V - X). Heute sind international die - ursprünglich aus Indien stammenden - arabischen Ziffern 0 - 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 gebräuchlich.

So wie es verschiedene Methoden gibt, um die gesprochenen Wörter zu schreiben (z. B. Bilderschriften, wie die chinesischen Schriftzeichen und die ägyptischen Hieroglyphen, oder Buchstabenschriften, wie die lateinische Schrift), so gibt es auch verschiedene Methoden, um Zahlwörter zu bilden und zu schreiben.

Es gibt zum einen Additionssysteme. Bei Additionssystemen werden die größeren Zahlen durch die Wiederholung kleinerer Zahlen gebildet. So wird z. B. im römischen Zahlensystem die Zahl "XXX" ("30") durch die mehrfache Wiederholung der Zahl "X" ("10") gebildet.

Das einfachste Additionssystem zum Schreiben von Zahlen kommt mit nur einer Ziffer aus, dem senkrechten  Strich: "|" (1). Alle anderen Zahlen werden hier nur durch die entsprechend häufige Wiederholung der Zahl | ausgedrückt. So wird die Zahl "4" in der Strichziffernschrift durch "| | | |" ausgedrückt. Um die Zahlenschrift übersichtlicher zu machen, wird manchmal jeder fünfte Strich quer über die vorangehenden vier Striche gemacht. Dadurch erhält man Fünfer-Blocks, so dass z. B. die Zahl "17" so aussieht: " ||||   ||||   ||||   || ".

Einen andern Weg, um Zahlen unter Verwendung von Ziffern schreiben, gehen die Stellenwertsysteme (auch "Positionssysteme" genannt). Hier werden die verschiedenen Zahlen durch eine unterschiedliche Anordnung der Ziffern an den unterschiedlichen "Stellen" ("Positionen") einer Reihe gebildet.

Das heute allgemein übliche Dezimalsystem (von lateinisch "decem" = zehn) ist ein solches Stellenwertsystem. Im Dezimalsystem werden sämtliche Zahlen durch unterschiedliche horizontale Aneinanderreihung der Ziffern 0 - 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 und 9 gebildet. Dabei kann eine Ziffer auch mehrfach auftreten kann, wie z. B. die "3" bei der Zahl "353". Je nachdem, an welcher Stelle in der Reihe sie steht, bekommt die Ziffer einen bestimmten Wert. Wie sich der Wert einer Ziffer ändert, wenn sie an eine andere Stelle in der Ziffernreihe rückt, soll am Beispiel der Ziffer "3" veranschaulicht werden. Dabei wird von rechts begonnen, so wie bei der arabischen Schrift, die ebenfalls von rechts nach links gelesen wird.

Steht die Ziffer "3" an der 1. Stelle von rechts, so zählt sie einmal den einfachen Zahlenwert (3 x 1 = 3).
Steht sie an der 2. Stelle von rechts, so zählt sie den zehnfachen Zahlenwert (3 mal 10 = 30).
Steht sie an der 3. Stelle von rechts, so zählt sie zehnmal den zehnfachen Zahlenwert (3 mal 10 mal 10 = 300).
Steht sie an der 4. Stelle von rechts, so zählt sie zehnmal den zehnmalzehnfachen Zahlenwert (3 mal 10 mal 10 mal 10 = 3000).
usw. usf.

Mit jeder Verschiebung der Ziffer um eine Stelle nach links verzehnfacht sich also der Zahlenwert, den die Ziffer bedeutet. So setzt sich die Zahl 3333 zusammen aus 3 Einern, 3 Zehnern, 3 Hundertern und 3 Tausendern.

Eine Zahl wie 7569 setzt sich demnach aus den folgenden Zahlen zusammen:

0 0 0 9   9 x 1 neun
0 0 6 0   6 x 10 sechzig
0 5 0 0   5 x 10 x 10 fünfhundert
7 0 0 0   7 x 10 x 10 x 10 siebentausend
             
7 5 6 9   zusammen  

An der Tabelle wird deutlich, welche Möglichkeiten das in Ziffern geschriebene Dezimalsystem für das Rechnen bietet. Wenn man darauf achtet, dass die Stellen richtig untereinander stehen und die Ziffern genau an die jeweiligen Stellen geschrieben werden (dabei hilft das karierte Papier der Rechenhefte), so wird auch das Zusammenzählen mehrerer großer Zahlen zu einer kinderleichten Aufgabe - wenn der Akku des Rechners einmal leer ist.

Bemerkenswert ist außerdem die enorme Vereinfachung durch ein Stellenwertsystem wie das Dezimalsystem: Mit den 10 Ziffern von 0 bis 9 kann man beliebig große Zahlen schreiben. Durch die unterschiedliche Anordnung der Ziffern 0 bis 9 in einer Reihe mit nur 4 Stellen kann man z. B. 10.000 verschiedene Zahlen bilden.

Das Dezimalsystem ist nicht das einzige Stellenwertsstem.
So wie es verschiedene Sprachen gibt, die mit Buchstaben geschrieben werden, so gibt es nun auch verschiedene Stellenwertsysteme. Neben dem Dezimalsystem gibt es z. B. für Computer das Dualsystem (auch "binäres System" genannt), das mit den beiden Ziffern 0 und 1 auskommt.

Die verschiedenen Zahlensysteme sind - ähnlich wie die Sprachen - im Prinzip ineinander übersetzbar. So bedeutet "21" im Dezimalsystem dasselbe wie "XXI" im römischen Zahlensystem.


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Mengen mit einer bestimmten Anzahl von Elementen

Wir nehmen Gebilde wahr wie z. B. das folgende, zugegebenermaßen etwas seltsame Gebilde zwischen den geschweiften Klammern, das ich mit der Tastatur meines Computers erzeugt habe:

{  v r § v § § v r  }

Zur Unterscheidung von anderen Gebilden nenne ich dies Gebilde "M". Wie man sehen kann, besteht M aus mehreren Teilen, die man voneinander unterscheiden und einzeln beschreiben kann. Weiterhin kann man erkennen, dass es sich bei allen Teilen um Zeichen handelt. M ist also eine Zeichenmenge, die eine bestimmte Anzahl von Zeichen enthält.

Diese Zeichen kann man abzählen (ein Zeichen und noch ein Zeichen und ...).
Dagegen ergibt es keinen Sinn, wenn man sagt: "eine Luft", "ein Gelb" oder "ein Sand und noch ein Sand". Man kann zwar sagen: "Auf dem roten LKW ist viel Sand" oder "Auf dem schwarzen LKW ist wenig Sand". Man kann auch sagen: "Auf dem roten LKW ist mehr Sand als auf dem schwarzen LKW" aber man kann nicht sagen, wie viel Sand auf dem roten LKW oder auf dem schwarzen LKW ist und man kann nicht sagen, wie groß der Unterschied ist. Dies kann man nur bei Mengen, die aus abzählbaren Elementen wie den obigen Zeichen bestehen.

Man kann nun die Elemente, die die Menge M ausmachen, nach unterschiedlichen Gesichtspunkten zusammenfassen und so aus der Menge M verschiedene
Teilmengen bilden.

Wenn man z. B. diejenigen Elemente zusammenfasst, die wie v aussehen, erhält man die Teilmenge:
{  v v v  }.
Wenn man diejenigen Elemente zusammenfasst, die wie § aussehen, so erhält man die Teilmenge: {  § § §  }.
Wenn man diejenigen Elemente zusammenfasst, die wie r aussehen, erhält man die Teilmenge:  {  r r  }.
Und wenn man all diejenigen Elemente zusammenfasst, die Buchstaben sind, so erhält man die Teilmenge: {  v r v v r  }.

Man kann nun fragen:

Was unterscheidet {  v v v  } von {  r r  }?

Zum einen unterscheidet sich ein v von einem r durch seine andere Form. Die Elemente sind also unterschiedlich. 

Aber {  v v v  } und {  r r  }  unterscheiden sich noch in einer anderen Hinsicht. Umgangssprachlich kann man diesen
Unterschied auf sehr verschiedene Weise ausdrücken. Man kann sagen:
    "{  v v v 
besteht aus mehr Elementen / enthält mehr Elemente als {  r r  }" oder
    "
Die Anzahl der Elemente in {  v v v  } ist größer als die Anzahl der Elemente in {  r r  }" oder
    "
Das Element v ist in {  v v v  } häufiger / kommt öfter vor als das Element r in {  r r  }".
In der Mengenlehre benutzt man hierfür den (zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftigen) Begriff der
"Mächtigkeit" einer Menge.

In Bezug auf {  v v v  } und {  r r  } sagt man: "Die Menge {  v v v  } ist von
größerer Mächtigkeit als die Menge {  r r  }".

In Bezug auf {  v v v  } und {  § § §  } sagt man: "Die Mengen {  v v v  } und {  § § §  } sind gleich mächtig".

Die Mächtigkeit einer bestimmten Menge M entspricht der Anzahl der Mengenelemente von M. Die Mächtigkeiten bilden somit die Zahlen oder genauer die Kardinalzahlen (von lateinisch "cardinalis" = wichtig, Haupt-). Um die verschiedenen Mächtigkeiten unmissverständlich bezeichnen zu können, muss man für jede mögliche Anzahl von Mengenelementen eine bestimmte Zahl haben.

Im Alltagsleben ist die Mächtigkeit einer Menge in den verschiedensten Zusammenhängen von großer Bedeutung. Es macht eben einen Unterschied, ob Michaela 10 € Taschengeld bekommt oder 100 € oder ob im Fußballspiel zwischen Real Madrid und Bayern München die Bayern 3 Tore geschossen haben und die Spanier 1 oder umgekehrt.


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Was zählen die Zahlen der reinen Mathematik?

Wie wir gesehen haben, drücken Zahlen die Anzahl der Elemente einer Menge aus. So benennen wir die Anzahl der Zeichen zwischen den folgenden geschweiften Klammern
e ß @ % & ( / = } mit der Zahl "8". Die einzelnen Zeichen sind hier die Elemente. Sie bilden zusammengenommen die Menge derjenigen Zeichen, die sich zwischen den geschweiften Klammern befinden. Ein Element, auf das diese Beschreibung zutrifft, bildet die Einheit, in der gezählt wird. In unserm Fall lautet die Beschreibung "Zeichen in dieser geschweiften Klammer".

Was 8 Zeichen sind, ist wohl ohne weiteres verständlich. Aber was bedeutet die "8" in der Gleichung: "3 + 5 = 8"? Hier bekommt die Zahl "8" plötzlich etwas Geheimnisvolles, weil sie sich scheinbar auf nichts bezieht. Dies ist der Bereich der "reinen" Mathematik, die scheinbar von allem und nichts handelt, im Unterschied zur angewandten Mathematik, bei der es immer um irgendwelche fassbaren Dinge geht. 

Weil Zahlen das Ergebnis einer Zählung sind und weil man immer irgendwelche Elemente zählt, müssten sich Zahlen eigentlich immer auf irgendwelche Elemente beziehen. Wir sprechen im Alltag z. B. von "3 Apfelsinen" oder "5 Kiwis". Aber worauf beziehen sich die "8" und die beiden andern Zahlen "3" und "5" in der Gleichung "3 + 5 = 8"? Welche Elemente welcher Mengen wurden hier gezählt?

Offenbar darf man in die Gleichung nicht beliebige Elemente einsetzen. Die Frage: "Wie viel sind 3 Apfelsinen und 5 Kiwis?" ist sinnlos. 3 Apfelsinen sind und bleiben 3 Apfelsinen und 5 Kiwis. Sie können keine gemeinsame Menge bilden, weil es sich nicht um Elemente handelt, die in derselben Weise beschrieben werden.

Aber, so könnte jemand einwenden, man könnte doch die 3 Apfelsinen und die 5 Kiwis in ein und derselben Weise als "Früchte" beschreiben und sagen: "Wenn ich 3 Apfelsinen habe und 5 Kiwis, dann habe ich 8 Früchte".

Dieser Satz ist sicherlich nicht falsch. Er setzt jedoch voraus, dass die beiden Aussagen "Apfelsinen sind Früchte" und "Kiwis sind Früchte" wahr sind. Ob dies der Fall ist, kann jedoch die Mathematik nicht beantworten. Solche Fragen behandelt die Botanik. Deshalb sind Gleichungen mit unterschiedlichen Einheiten wie z. B. "3 Apfelsinen + 5 Kiwis = 8 Früchte" in der Mathematik unzulässig, auch wenn sie wahr sein können. Wenn jemand behauptet: "Wenn ich 3 Apfelsinen habe und 5 Kartoffeln, dann habe ich 8 Früchte", so kann der Mathematiker nur sagen: "Ob das stimmt, kann die Mathematik allein nicht sagen, dazu muss auch die Botanik befragt werden." Die Botanik wird sagen: "Die Behauptung ist falsch, denn Kartoffeln sind nicht die Früchte sondern die Knollen der Kartoffelpflanze."

Ähnliches gilt für die Gleichung: "200 Gramm Zucker + 300 Gramm Zucker = 1 Pfund Zucker". Auch hier wird vorausgesetzt, dass der Aussage gilt: "500 Gramm = 1 Pfund". Pfund und Gramm sind zwar unterschiedliche Elemente, doch sie lassen sich mit Hilfe der zweiten Gleichung ineinander umrechnen.

Nur wenn die Elemente "einheitlich"  beschrieben sind und damit eine bestimmte Menge bilden, erhält man Einheiten, mit denen man rechnen kann.  Rechnen setzt also immer eine "Einheit" voraus, in der gerechnet wird.

Das bedeutet im Übrigen nicht, das es sich bei den Elementen einer Menge immer um einander ähnliche Dinge handeln muss, wie z. B. "Äpfel". Die Elemente müssen sich nur in der Hinsicht gleichen, in der sie beschrieben werden. Wenn ich z. B. die Elemente einer Menge mit den Worten beschreibe "ein Gegenstand, der sich jetzt in diesem Koffer befindet", so können sehr verschiedenartige Dinge Elemente dieser Menge sein: eine Zeitung, ein Stück Seife, ein Ausweis und eine Banane.
 

Womit rechnen aber nun Aussagen der reinen Mathematik wie: "3 + 5 = 8", bei denen keinerlei Einheit angegeben wird?

Sehen wir uns dazu einmal mehrere Ergebnisse der angewandten Mathematik an, bei denen mit unterschiedlichen natürlichen Einheiten (Kiwis, Äpfel und Gurken) gerechnet wird:

3 Kiwis   und 5  Kiwis  ergeben zusammen  8 Kiwis.
3 Äpfel   und 5  Äpfel  ergeben zusammen  8 Äpfel.
3 Gurken und 5 Gurken ergeben zusammen 8 Gurken.

Wie man sieht, ergibt sich zahlenmäßig immer das gleiche Resultat, ganz gleich, um welche Art von Einheit es sich handelt. Ob es sich bei den Einheiten um Kiwis, Apfelsinen oder Gurken handelt, ist für das Ergebnis offenbar völlig gleichgültig.

Mit dieser bahnbrechenden Erkenntnis entsteht nun die Möglichkeit einer reinen Mathematik. Man braucht nicht getrennte Rechenlehren für Kiwis, Äpfel, Gurken oder Kartoffeln zu entwickeln, sondern man kann von der faktischen Beschaffenheit der verschiedenen empirischen Einheiten völlig absehen. Stattdessen kann man mit einer rein theoretisch geschaffenen mathematischen Einheit rechnen. Diese mathematische Einheit kann für alle Dinge stehen, die zum einen abzählbar sind und die zum andern in irgendeiner Hinsicht "einheitlich" sind, d. h. dass auf sie eine bestimmte Beschreibung zutrifft.

Anstelle der obigen getrennten 3 Berechnungen benötigt man demnach nur noch eine Berechnung:

3 Einheiten und 5 Einheiten ergeben zusammen 8 Einheiten.

Um der Einfachheit willen kann man nun vereinbaren, den Bezug auf die theoretische Einheit nicht bei jeder Zahl wieder aufs Neue anzugeben sondern nur noch zu schreiben "3 und 5 ergeben zusammen 8", oder in mathematischer Kurzschrift: "3 + 5 = 8".

Damit sind die Berechnungen enorm vereinfacht. Allerdings ist bei der Anwendung der Mathematik auf reale Vorgänge nun Vorsicht geboten. Wenn man eine abstrakte mathematische Gleichung auf reale Dinge anwenden will, muss man deshalb zuvor immer prüfen, ob es sich bei diesen Dingen um echte Einheiten handelt, also um abzählbare Elemente, auf die dieselbe Beschreibung zutrifft.

Damit ist das Mysteriöse der abstrakten Zahlenwelt hoffentlich aufgeklärt. Und man versteht etwas besser, warum Betrand Russell die Mathematik einmal spaßig als das Gebiet bezeichnete, in dem wir nie wissen, worüber wir reden, und wo wir nie wissen, ob das, was wir sagen, auch wahr ist.


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Die Nachteile unsystematischer Zahlwörter

In einem fernen Land mit dem schönen Namen "Onezal" kannten die Leute keine Zahlen und konnten deshalb auch nicht zählen. Stattdessen benannten die Onezaler die unterschiedlichen Häufigkeiten von Dingen mit bestimmten Wörtern. Diese Häufigkeitswörter endeten immer mit "ff".
    Zu:  |||        sagten sie: "baff senkrechte Striche".
    zu:  0 0 0      sagten sie: "baff Eier".
    zu:  - - - - -  sagten sie: "eff waagerechte Striche".
    zu: $$           sagten sie: "aff Dollar".
    zu: §§§§        sagten sie: "zuff Paragraphen".
    zu: *            sagten sie: "xoff Sternchen".
    zu: ~~         sagten sie: "aff Wellen"  usw. usf.
 
Die Beschreibung von Häufigkeiten in der Sprache der Onezaler war eine Kunst, und nur die klügsten und die gebildetsten Onezaler konnten z. B. angesichts dieser vielen Fragezeichen "????????????????????" das richtige Häufigkeitswort nennen, nämlich "poff". Die meisten konnten gerade noch erkennen, dass es sich bei "/ / / / / / /"  um kaff Schrägstriche handelte. Waren die Dinge häufiger, so sprachen sie immer nur von "vielen" oder "sehr vielen" Dingen.

Dieser Zustand war sehr unschön, denn immer wieder gab es Missverständnisse und Verluste wegen der ungenauen und mangelhaften Beschreibung von Häufigkeiten. Es wurden mal zu viel und mal zu wenig Brote gebacken, es wurden mal zu viel und mal zu wenig Wasserkrüge am Brunnen gefüllt. Angesichts dieser Misere war es ein denkwürdiger Tag, als der Schuhmacher von Onezal auf der jährlichen Versammlung aller Onezaler das Wort ergriff und einen kühnen Vorschlag machte:

"Onezaler!", rief er. "Wir sind alle dafür, dass die ständigen Schwierigkeiten mit den Häufigkeiten endlich aufhören. Nachdem ich lange darüber nachgedacht habe, kann ich Euch heute auch sagen, wie das gehen kann."

"Oho!" riefen die Onezaler. "Das wollen wir hören!"

"Ganz einfach", sagte der Schuhmacher. "Dazu müssen wir die Häufigkeitswörter so anordnen, dass das Wort für die kleinste Häufigkeit - also xoff - den Anfang macht und die Wörter für die andern Häufigkeiten der Größe nach in einer Reihe folgen. Also: xoff - aff - baff - zuff - eff - roff - kaff - zoff - schaff - gaff und so weiter. Das mag erstmal genügen. Diese Reihenfolge der Häufigkeitswörter muss sich jeder nun ganz fest einprägen. Die Kinder sollten die Reihenfolge bereits im Kindergarten auswendig lernen!"

"Aber wozu soll das denn gut sein?" fragten die Leute den Schuhmacher etwas ungeduldig. "Warum sollen wir denn damit unser Gedächtnis auch noch belasten?"

"Lasst mich erklären, wozu das gut ist. Angenommen, jemand ist angesichts eines Haufens von Kokosnüssen unsicher über das richtige Häufigkeitswort. Jetzt kann er das Problem auf die folgende Art und Weise lösen: Er nimmt die Kokusnüsse einzeln und nacheinander vom Haufen und legt sie mit etwas Abstand daneben. Bei jeder Nuß, die er nimmt, sagt er - beginnend mit "xoff" und genau in der festgelegten Reihenfolge - jeweils ein Häufigkeitswort. Nach xoff also aff, baff, zuff, eff, roff, kaff, zoff, schaff, gaff usw. Das Wort, das er bei der letzten Nuss ausspricht, gibt dann die genaue Häufigkeit der Kokosnüsse an. Wenn jemand das nicht glaubt, so kann jeder das Ganze ohne weiteres für sich wiederholen. Wenn er keine Nuss auslässt, wenn er keine Nuss mehrfach nimmt und wenn er die Reihenfolge der Häufigkeitswörter genau einhält, so wird er immer wieder dasselbe Häufigkeitswort als Ergebnis erhalten."

Die Onezaler sahen sich erst etwas verdutzt an. Dann riefen sie: "Das wollen wir doch gleich einmal ausprobieren. Hoch lebe unser Schuhmacher!" Die Onezaler sollen später den Namen ihres Landes in "Habezal" geändert haben.
 


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Eine Definition der Zahlen des Dezimalsystems


Im Folgenden soll die Erzeugung der Zahlen des Dezimalsystems demonstriert werden. Aus praktischen Gründen nehmen wir dazu Strich-Mengen, denn Striche sind unterscheidbare Dinge und benötigen nur wenig Platz.

Man kann eine vollständige, nach zunehmender Mächtigkeit geordnete Aufstellung aller möglichen Mengen von senkrechten Strichen dadurch erzeugen, dass man - ausgehend vom Fall ohne Strich  - jeweils immer einen Strich hinzufügt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die dabei entstehenden Strich-Mengen durch ein Komma voneinander getrennt.

Man erhält dann - links beginnend - die folgende, nach wachsender Mächtigkeit geordnete vollständige Aufstellung aller möglichen Strich-Mengen:

  ,  , | , || , ||| , |||| , ||||| , |||||| , ||||||| , |||||||| , ||||||||| , ||||||||||| , |||||||||||| , usw. usf.

Mit jeder weiteren Strich-Menge kommt also ein Strich bzw. ein Element hinzu. Jede Strich-Menge - außer der ersten - enthält genau ein Element mehr als die vorhergehende Strichmenge und ist insofern mächtiger als diese. Die Strichmengen sind dadurch vollständig und sie sind nach ihrer Mächtigkeit geordnet.

Für jede mögliche Anzahl von Strichen benötigt man nun ein eigenes Symbol, um alle möglichen Mächtigkeiten dieser Strichmengen unmissverständlich benennen zu können.

Wie wir oben gesehen haben, werden im Dezimalsystem die Zahlen durch die unterschiedliche Aneinanderreihung der Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 in  erzeugt, z. B. "459073" oder "129"

(Der Einfachheit halber werden im Folgenden nur zweistellige Ziffernfolgen zur Veranschaulichung benutzt. Man könnte dasselbe jedoch auch anhand von Ziffernfolgen mit beliebig vielen Stellen durchführen.)

Als erstes bildet man alle möglichen zweistelligen Kombinationen der Ziffern 0 bis 9 in einer horizontalen Reihe. Dabei kann eine Ziffer auch mit sich selbst kombiniert werden (z. B. "88") . Jede dieser Kombinationen schreibt man auf einen eigenen Zettel. Dabei darf jede Kombination nur einmal auf einen Zettel geschrieben werden. Außerdem darf keine mögliche Kombination ausgelassen werden. Wir bekommen so einen großen Zettelhaufen. Darin befinden sich z. B. die Zettel mit den zweistelligen Ziffernkombinationen "84", "10", "05" und "33".

Anschließend sortiert man die Zettel nach der linken Ziffer in kleinen Haufen. Zettel, die dieselbe linke Ziffer haben, werden zusammengefasst und bilden jeweils einen kleinen Zettelhaufen. Entsprechend der linken Ziffer gibt es einen 3er-Haufen, einen 8er-Haufen, einen 2er-Haufen usw.

Diese Haufen ordnet man nun von links nach rechts in derselben Reihenfolge wie die feste Ziffernfolge (also 0, 1, 2, ..., 9.)

Dann ordnet man die Zettel jedes kleinen Haufens nach der rechten Ziffer entsprechend der festen Ziffernfolge.

Damit hat man eine Reihenfolge von Ziffernkombinationen, die links mit "00", "01" beginnt und rechts mit "98", "99" endet.

Um das Ganze übersichtlicher zu gestalten, kann man die entstandene lange Zettelreihe in Tabellenform bringen. Man beginnt mit dem Zettel "00" und bewegt sich nach rechts. Immer wenn sich die linke Ziffer ändert, beginnt man links darunter eine neue Zeile. Damit erhält man die folgende Tabelle:

00    01    02    03    04    05    06    07    08    09
10    11    12    13    14    15    16    17    18    19
20    21    22    23    24    25    26    27    28    29
30    31    32    33    34    35    36    37    38    39
40    41    42    43    44    45    46    47    48    49
50    51    52    53    54    55    56    57    58    59
60    61    62    63    64    65    66    67    68    69
70    71    72    73    74    75    76    77    78    79
80    81    82    83    84    85    86    87    88    89
90    91    92    93    94    95    96    97    98    99

Man kann nun jeder Anzahl von Strichen eine bestimmte Ziffernkombination zuordnen.

Der anfänglichen leeren Strich-Menge "  " wird die Ziffernkombination "00" zugeordnet.
Der folgenden Strich-Menge "|" wird die Ziffernkombination "01"  zugeordnet.
Der folgenden Strich-Menge "||" wird die Ziffernkombination "02" zugeordnet
und so weiter in der angegebenen Reihenfolge bis zur letzten Ziffernkombination "99".

Damit haben wir für jede Anzahl von Strichen ein besonderes Symbol, um diese Anzahl unmissverständlich zu benennen.
Die aus Ziffern gebildeten Symbole kann man "Zahlen" nennen, denn sie ermöglichen das Zählen und das Festhalten von Ergebnissen einer Zählung.
 
So ist z. B. der Ausdruck "14 Striche" gleichbedeutend mit dem Ausdruck "Anzahl der in der Menge "||||||||||||||" enthaltenen Striche".

So wie die Strichmengen mit jeder Zuordnung um ein Element mächtiger werden, so werden die zugehörigen Zahlen um eine Einheit größer.

Da man anstelle der Striche beliebige andere abzählbare Dinge als Mengenelemente nehmen könnte, bezeichnet jede Zahl eine bestimmte Mächtigkeit beliebiger Mengen aus beliebigen Elementen.

Entsprechendes lässt sich nicht nur für zweistellige Ziffernfolgen durchführen sondern ebenso für Ziffernfolgen mit beliebig vielen Stellen, so dass beliebig mächtige Mengen mit Zahlen bezeichnet werden können.

Der Einfachheit halber wird schließlich noch vereinbart, dass man bei den Zahlen die vorangehende Nullen weglassen darf.

Anstatt zu schreiben: "0000000105 + 0000000002 = 0000000107"
schreibt man einfach: "105 + 2 = 107".

Nur bei der Null schreibt man immer die Ziffer "0",


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Ein Schema, um die Zahlen des Dezimalsystems zu erzeugen 

Das heute allgemein übliche Zahlensystem benutzt die Ziffern "0" - "1" - "2" - "3" - "4" - "5" - "6" - "7" - "8" - "9" zur Bildung aller Zahlen. Da es sich um zehn Ziffern handelt und "zehn" auf lateinisch "decem" heißt, wird dies System "Dezimalsystem" genannt.

Um die Zahlen des Dezimalsystems in der Reihenfolge ihrer Größe zu bilden, muss man sich eigentlich nur diese Ziffern und deren Reihenfolge merken. Man muss also z. B. wissen, dass die Ziffer "6" als "sechs" bezeichnet wird und dass die Ziffer "6" nach der Ziffer "5" folgt. (Vorweg muss allerdings klar sein, ob die gebildeten Zifferfolgen vom rechts nach links oder von links nach rechts gelesen werden soll.)

Als Ausgangspunkt für die Erzeugung des dezimalen Zahlensystems nimmt man eine beliebig lange Folge der Ziffer "0":  "... 00000". Dies ist die Zahl "null" bzw. "0". Die Zahl "0" bedeutet, dass sich in der betreffenden Menge kein zu zählendes Element befindet. 

Man bildet nun die nächste Zahl und alle folgenden Zahlen, indem man jeweils die ganz rechts stehende Ziffer durch die in der Reihenfolge nachfolgende Ziffer ersetzt. In diesem Fall ist die ganz rechts stehende Ziffer eine "0". Diese Ziffer ersetzt man durch die nachfolgende Ziffer, die "1". So gelangt man von der Ziffernfolge

"... 00000" zur Ziffernfolge "... 00001". Die letztere schreibt man unter die erstere.

"...00000" - "null"
"...00001" - "eins"

Als nächstes ersetzt man die ganz rechts stehende Ziffer "1" durch die nachfolgende Ziffer "2" und erhält so die Ziffernfolge "...00002" für die Zahl "zwei". Das gleiche macht man mit den folgenden Ziffern und erhält so die folgenden Zahlen:

"...00000" - "null" (keines)
"...00001" - "eins"
"...00002" - "zwei"
"...00003" - "drei"
"...00004" - "vier"
"...00005" - "fünf"
"...00006" - "sechs"
"...00007" - "sieben"
"...00008" - "acht"
"...00009" - "neun"

Mit der Bildung dieser Zahlen sind die vorhandenen Ziffern erstmal aufgebraucht. Bei der Erzeugung der auf die "9" folgenden Zahl gibt es deshalb eine Besonderheit:

Man fängt zwar wieder von vorn an mit der Ziffer "0" an und ersetzt in der Ziffernfolge "...00009" die Ziffer ganz rechts (die "9") durch eine "0".
Weil man dadurch jedoch dieselbe Ziffernfolge "...00000" erhalten würde, die bereits für die Zahl "Null" verwendet wird, ersetzt man zur Unterscheidung außerdem noch die Ziffer unmittelbar links neben der für die "9" eingesetzten "0" (das ist ebenfalls eine "0") durch deren nachfolgende Ziffer (die Ziffer "1").

Die Zahl nach der "neun", die "zehn", besteht dann aus der Ziffernfolge "...000010". Dies schreibt man unter die Ziffernfolge der "neun"..

Nun fährt man in der bisherigen Weise fort und ersetzt dazu jeweils in der zuletzt gebildeten Zifferfolge die Ziffer rechts außen durch die nachfolgende Ziffer. Damit erhält man die folgenden weiteren Zahlen:

"... 000011" - "elf"
"... 000012" - "zwölf"
   usw. bis
"... 000019" - "neunzehn".

Da die Ziffern bei der "neunzehn" wieder aufgebraucht sind, fängt man wieder mit der "0" an und ersetzt die rechts außen stehende Ziffer durch die folgende Ziffer. Um keine Ziffernfolge doppelt zu vergeben, ersetzt man zusätzlich die links daneben stehende Ziffer (hier die "1") durch die nachfolgende Ziffer, (die "2") und erhält:

"... 000020" - "zwanzig"
"... 000021" - "einundzwanzig"
    usw. bis
"... 000099" - "neunundneunzig".

Da die Ziffern damit aufgebraucht sind, beginnt man wieder mit der Ziffer "0". Da bei der links daneben stehenden Ziffer ebenfalls die "9" erreicht ist, fängt man auch hier wieder mit der "0" an. Zusätzlich ersetzt man die links daneben stehende Ziffer (hier die "0") durch die nachfolgende Ziffer (die "1") und erhält:

"... 0000100" - "einhundert"  (Hier wurden also gleich drei Ziffern verändert)
"... 0000101" - "einhunderteins"
    usw. bis
"... 0000999" - "neunhundertneunundneunzig
"... 00001000" - "eintausend"
"... 00001001" - "eintausendeins"
    usw. usf.

Schließlich nimmt man noch eine Vereinfachung der Schreibweise vor, indem man verabredet, dass eine 0-Ziffer in einer Zahl dann weggelassen werden darf, wenn links von ihr nur weitere 0-Ziffern stehen. Die Null-Ziffern in der Zahl 00034 kann man also weglassen, während die Null-Ziffern in der Zahl 30004 nicht weggelassen werden dürfen.

Man schreibt die Zahlen in Ziffernschrift also ohne vorangehende Nullen: "1", "2", "3","4", "5", "6", "7", "8", "9", "10", "11", "12", "13" usw.

Eine Ausnahme bildet die Zahl "Null". Hier lässt man eine 0-Ziffer stehen als Zeichen dafür, dass hier gezählt wurde aber kein Element da war, das man hätte zählen können. Eine bloße Leerstelle könnte man auch so verstehen, dass hier noch gar nicht gezählt (oder gerechnet) wurde. Die Zahl "Null" wird also als "0" geschrieben.


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Zählen
 

Genau genommen gehört das Zählen nicht zur Mathematik. In der Mathematik setzt man voraus, dass die Zahlen, mit denen gerechnet wird, stimmen und auf methodisch richtigen Zählungen beruhen.

Die Mathematik entwickelt zwar geeignete Zahlensysteme, sie beantwortet jedoch nicht die Frage, wie viele Brötchen in dieser weißen Tüte sind und wie viele Brötchen in dieser roten Tüte sind. Dazu muss man seine fünf Sinne gebrauchen und die Brötchen in den Tüten zählen. 

(Wenn man allerdings wissen will, wie viele Brötchen in beiden Tüten insgesamt sind, so kann die Mathematik es einem ersparen, die Brötchen aus beiden Tüten auf einen Haufen zu tun und den ganzen Haufen zu zählen.)

Das Zählen gehört zu den elementarsten Methoden der Erkenntnis über die Beschaffenheit der Welt. Wenn man Dinge als in einer bestimmten Weise als gleichartig erkennt und mit demselben sprachlichen Ausdruck beschreiben kann, wenn man also sieht: "Hier ist ein Finger und daneben ist noch ein Finger und daneben noch einer", dann entsteht die Frage: "Wie viele ... sind es?"

Die richtige Beantwortung solcher Fragen nach der Anzahl bestimmter Elemente kann von größter Wichtigkeit sein: "Wie viele Schritte muss ich noch machen, bis ich zu Hause bin?", "Wie viele Tage dauert es, bis die Ferien beginnen?", "Wie viele Personen passen in dies Auto?", "Wie viele Stunden muss ich noch arbeiten?", "Wie viele Orangen bekomme ich für diese Geldmünze?", "Wie viele Stimmen hat dieser Kandidat bekommen?" Die Antworten auf all diese Fragen werden mit Hilfe von Zahlen gegeben, die eine bestimmte Anzahl von Elementen einer Menge bezeichnen.

Zahlen sind das Ergebnis von Zählungen. Wenn man wissen will, wie viele Elemente einer bestimmten Art eine bestimmte Menge enthält, z. B. wie viele Blütenblätter diese  Margeritenblüte hat oder wie viele Margeritenblüten an diesem Strauß sind, so muss man die betreffenden Elemente zählen.  

Dabei müssen die Dinge, die man zählt, nicht in vielfacher Hinsicht oder gar in jeder Hinsicht gleichartig sein, so wie z.B. 1-Euro-Münzen oder Hühnereier. Um zählbare Elemente einer Menge zu sein, genügt es, wenn sie sich in einer Hinsicht gleichen. Man kann z. B. auch zählen: "alle Geschenke, die Steffi zum Geburtstag bekommen hat". Ob Fahrrad oder Torte, jedes von beiden ist ein Element derselben Menge. 

Das richtige Zählen ist eine Fähigkeit, die bestimmte Kenntnisse voraussetzt und die Einhaltung bestimmter Regeln erfordert. Das Zählverfahren muss so beschaffen sein, dass das Ergebnis das gleiche bleibt, wenn eine Person mehrere Male nacheinander dieselben Elemente derselben unveränderten Menge zählt. Es muss vor allem dasselbe Ergebnis herauskommen, wenn verschiedene Personen dieselben Elemente derselben Menge zählen. Anders ausgedrückt: Das Zählverfahren muss intertemporal und intersubjektiv übereinstimmende Ergebnisse liefern.

Wichtigste Voraussetzung für die Fähigkeit des Zählens ist die Kenntnis der Zahlen sowie die Kenntnis ihrer Reihenfolge nach Größe geordnet. Diese Reihenfolge wird durch Übereinkunft (Konvention) festgelegt.  

So gilt in dem bei uns gebräuchlichen Zahlensystem, dass die "2" nach der "1" und vor der "3" steht. Es könnte theoretisch allerdings auch umgekehrt sein. Wenn jedoch einmal die "3" als die nach der "2" folgende Zahl vereinbart wurde, muss diese Reihenfolge unbedingt eingehalten werden.

Wie zählt man?

Man könnte versuchen, die Anzahl der Elemente einer Menge (z. B. Blütenblätter an einer Blüte) dadurch zu bestimmen, dass man ein Blütenblatt nach dem andern abreißt und dazu sagt: "Ein Blütenblatt - und noch ein Blütenblatt - und noch ein Blütenblatt" - und so weiter, bis man alle Blütenblätter abgerissen hat. Auf diese Weise bekommt man vielleicht eine Ahnung von der Anzahl der Elemente ("sehr viele" oder "wenige"), man bekommt jedoch kein genaues Ergebnis hinsichtlich der Anzahl der Elemente dieser bestimmten Menge.

Man zählt die Blütenblätter, indem man jedem Blütenblatt ein bestimmtes Zahlwort zuordnet. Ausgehend von der "0" beginnt man mit der "1" für das erste Blütenblatt und setzt den Zählvorgang fort mit der "2". Wichtig ist die Einhaltung der vereinbarten Reihenfolge der Zahlen.

Es gelten beim Zählen die folgenden Regeln:

 - Man darf kein Blütenblatt auslassen sondern muss immer das folgende nehmen.
 - Man darf jedem Blütenblatt nur einmal eine Zahl zuordnen und nicht mehrfach.
 - Man darf keine Zahl auslassen sondern muss immer die unmittelbar folgende Zahl nehmen.
 - Man darf jede Zahl nur einmal vergeben, also nicht mehrfach an verschiedene Elemente.

Wenn man beim Zählen diese Regeln einhält, so benennt die Zahl, die man dem letzten Blütenblatt zuordnet, zugleich die Anzahl der Blütenblätter an der Margeritenblüte.

Wenn man jedoch eine der genannten Regeln nicht einhält, "verzählt" man sich und die Frage: "Wie viele Blütenblätter sind an dieser Blüte?" wird falsch beantwortet.

Um diese Regeln verstehen und befolgen zu können, muss man verschiedene Fähigkeiten bzw. Kenntnisse  besitzen.

 - Man muss die Bedeutung der Wörter "Margeritenblüte" und "Blütenblatt" kennen und die Margeritenblüte sowie die Blütenblätter als solche erkennen.
 - Man muss wissen, was der Ausdruck "dasselbe Blütenblatt" bedeutet (Identität)
 - Man muss wissen, was der Ausdruck "ein Blütenblatt" bedeutet (ein Exemplar einer Klasse gleichartiger Objekten).  


Zählen und Messen

Viele Dinge lassen sich ohne Schwierigkeiten zählen: Menschen, Autos, die Schläge der Turmuhr und anderes mehr. Viele Dinge lassen sich auf den ersten Anhieb gar nicht zählen, weil keine abgrenzbaren Elemente vorhanden sind. Dies zeigt sich meist bereits daran, dass man von den zugehörigen Wörtern keine Einzahl und keine Mehrzahl bilden kann. Man kann z. B. nicht sagen: "ein Sand" oder "viele Schnees".

Aber auch bei diesen Dingen gibt es Größenverhältnisse, denn man kann sagen: "viel Sand" oder "wenig Sand", "mehr Schnee" oder "weniger Schnee", "etwas Schnee" oder "kein Schnee". Diese Ausdrucksweisen sind jedoch verhältnismäßig ungenau. Um ein praktisches Beispiel zu nennen: Angenommen, ich habe ein Fass Bier. Ich möchte nun wissen, ob sich darin genügend Bier befindet, um für jeden meiner 20 Gäste das Bierglas zu füllen. Um diese Frage zu beantworten, genügt es nicht zu sagen: "In dem Fass ist viel Bier" und "In ein Glas geht wenig Bier."

In diesem Fall muss ich versuchen, eine Einheit zu finden, in der ich die genaue Größe von Mengen an Bier bestimmen kann. Dann kann ich die Ergebnisse der Mathematik auch diesen Bereich anwenden.

Man könnte z. B. als Einheit, in der man die Größe von Biermengen bestimmt, den Inhalt eines bis an den Rand gefüllten bestimmtem Bierglases nehmen. Die gesamte Biermenge ergibt sich nun daraus, wie oft dieses Glas mit dem Bier aus dem Fass randvoll gefüllt werden kann. Diese Anzahl kann man zählen und erhält als Ergebnis eine bestimmte Zahl, z. B.: "Im Fass befindet sich Bier in einer Menge von 60 randvollen Gläsern dieser Art."

In diesem Fall hat man als Maß eine Volumeneinheit gewählt.  Man könnte jedoch auch anders vorgehen und eine Gewichtseinheit für das Bier bestimmen, z. B. Kilogramm, und zählen, wie oft man mit dem Bier aus dem Fass das Gefäß mit einem Kilogramm Bier füllen kann. 

Wenn die Einheiten nicht von Natur aus als abgegrenzte Gegenstände vorliegen, sondern - wie beim Bier - eine Einheit erst künstlich gebildet werden muss, kann es vorkommen, dass bei der Zählung der Biereinheiten ein Rest Bier übrigbleibt, der keine volle Einheit mehr ergibt. Wenn man auch die Größe des Restes bestimmen will, benötigt man neben den ganzen Zahlen allerdings auch Brüche (z. B. 7/9) oder Dezimalzahlen mit Stellen hinter dem Komma (z. B. 0,953). Man benötigt dazu außerdem besondere Messgeräte und spricht dann nicht mehr vom "Zählen", sondern vom "Messen". Man sagt: "Ich zähle die Äpfel" aber man sagt: "Ich messe das Gewicht der Äpfel mit der Waage".

Messergebnisse lassen sich wie die Ergebnisse von Zählungen in Zahlen ausdrücken.

Durch die Erfindung geeigneter Einheiten und Messverfahren konnte man auch solche Bereiche der Wirklichkeit zählen oder messen, die auf den ersten Blick dafür gar nicht geeignet schienen und als "qualitativ" angesehen wurden. Durch die "Quantifizierung" eines Bereiches, d. h. durch dessen Beschreibung unter Benutzung von Messdaten in Form von Zahlen, wird es nun möglich, auch auf diesen Bereich mathematische Modelle und elektronische Rechner anzuwenden. Bereiche der Realität, die man früher für rein "qualitativ" hielt, wie Farben oder Töne, können durch "Digitalisierung", also durch die Umsetzung in das binäre Zahlensystem, exakt beschrieben und als Daten wie andere auch gespeichert werden.

Allerdings gibt es auch eine missbräuchliche Verwendung von Zahlen, nur um Exaktheit und Wissenschaftlichkeit vorzutäuschen. Dies gilt z. B. für Teile der Astrologie.


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Zahlen als Namen

Mit Zahlen kann man nicht nur rechnen, man kann sie auch als Namen verwenden.

Angenommen, eine Stadt hat viele Straßenbäume, die vom städtischen Gartenbauamt betreut werden: Sie werden geschnitten, gewässert, auf Standsicherheit untersucht, gepflanzt und gefällt. Wenn man mit jemandem über einen bestimmten Baum spricht, der wegen einer Pilzerkrankung gefällt werden muss, so muss der andere wissen, von welchem Baum die Rede ist. Um dies zu ermöglichen, kann man jedem Baum einen Namen geben. Damit es zu keinen Verwechslungen kommt, darf jeder Name aber nur einmal vergeben werden. Hier bietet sich die Zahlenfolge an, denn jede Zahl ist darin nur einmal enthalten. Wenn man nacheinander jedem Baum eine Zahl als Namen gibt, d.h. wenn man die Bäume durchnummeriert, kann man sicher sein, dass jeder Name nur einmal vergeben wurde und jeder Baum einen eigenen Namen hat.

Ein anderes Beispiel für die Funktion der Zahlen als Namen sind die Kundennummern einer Firma.


Die Zahlenfolge als universell einsetzbares Ordnungsprinzip

Die Zahlen des Dezimalsystems stehen in einer bestimmten unveränderlichen Reihenfolge, wenn man sie der Größe nach ordnet. Diese Reihenfolge kennt wohl jeder, der zur Schule gegangen ist. Er weiß z. B., dass auf die "17" immer die "18" folgt. Diese feste Anordnung der Zahlen ermöglicht ein schnelles Auffinden jeder Zahl. Wenn man z. B. unter 100 Zahlen die "78" heraussuchen soll, so macht es einen großen Unterschied, ob die Zahlen geordnet sind oder nicht.

Im Folgenden ist einmal eine ungeordnete Zahlenmenge wiedergegeben und einmal eine geordnete.

Ungeordnete Zahlenmenge:

32,71,42,45,05,52,67,10,70,81,94,91,44,53,16,48,54,31,74,86,58,87,96,25,30,25,49,62,75,68,
02,61,93,35,66,41,73,97,45,77,82,14,55,88,19,43,79,85,99,63,13,03,80,46,95,56,21,51,28,15,
92,78,36,33,65,83,50,09,18,12,06,24,20,37,38,07,64,27,08,89,60,23,57,84,100,76,40,01,39,47,
72,11,59,98,34,04,29,17,90,00,22,69.

Geordnete Zahlenmenge:

00,01,02,03,04,05,06,07,08,09,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,
30,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57,58,59,
60,61,62,63,64,65,66,67,68,69,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79,80,81,82,83,84,85,86,87,88,89,
90,91,92,93,94,95,96,97,98,99,100.
 

Während man bei der geordneten Menge nur eine Sekunde benötigt, um die '78' zu finden, kann dies bei der ungeordneten Menge 20 Sekunden und mehr dauern.

Diese nützliche Eigenschaft der Zahlenfolge kann man nun auf beliebige Dinge übertragen, indem man den einzelnen Elementen der Menge Zahlen zuordnet, sie also durchnummeriert (lateinisch numero = Zahl).

Um die einzelnen Häuser in einer Straße schneller zu finden, gibt man den Häusern Nummern entsprechend ihrer räumlichen Anordnung entlang der Straße. Wenn ich z. B. das Haus Müllerstr.15 suche, und stehe gerade vor dem Haus Nr.10, dann weiß ich, dass ich in Richtung des Hauses Nr.11 gehen muss, um das Haus Nr.15 zu finden.

Im New Yorker Stadtteil Manhattan gibt es ein Viertel, in dem die Straßen und die Querstraßen durchnummeriert sind. Dadurch kann auch ein Ortsfremder rasch das Geschäft an der Fifth Avenue /Ecke East 14th Street finden.


Zahlen für die Festlegung und Einhaltung einer bestimmten Ordnung

Bei beweglichen Elementen kann man die Zahlenfolge auch dazu benutzen, eine bestimmte Anordnung der Elemente festzulegen und einzuhalten. Dazu nummeriert man sowohl die Plätze für die einzelnen Elemente wie auch die zugehörigen Elemente selber.

Ein Beispiel hierfür ist ein großes Schlüsselbrett, an dem 100 verschiedene Schlüssel hängen. Wenn die Haken entsprechend der Zahlenfolge durchnummeriert sind und wenn die einzelnen Schlüssel ebenfalls nummeriert sind, weiß man schnell, wo ein Schlüssel nach Gebrauch aufzuhängen ist und wo er wieder zu finden ist, wenn man ihn braucht. 


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Zahlen zur Beschreibung einer Reihenfolge

Man kann Zahlen auch dazu benutzen, eine bestimmte Reihenfolge festzuhalten. Bei einem Wettlauf bekommen die Läufer eine Zahl zugeordnet entsprechend der Reihenfolge ihres Eintreffens im Ziel. Man sagt dann nicht: Paul ist die 1, Heinz ist die 2, Georg ist die 3 usw., sondern man sagt: Paul ist der 1., Heinz ist der 2. und Georg ist der 3. Läufer, der am Ziel eingetroffen ist. Diese Zahlen, die zur besseren Unterscheidung mit einem nachstehenden Punkt versehen werden, beschreiben eine bestimmte Reihenfolge. In unserm Fall geben sie die Reihenfolge an, in der die Läufer am Ziel eingetroffen sind. Solche Zahlen nennt man "Ordinalzahlen" (von lateinisch ordo =  Reihe, Ordnung). Die normalen Zahlen, die die Anzahl der Elemente von Mengen angeben, nennt man "Kardinalzahlen" (von lateinisch cardinalis = wichtig, Haupt- ).


Zahlen und mathematische Operationen sind theoretische Konstruktionen. Sie beziehen sich auf eine irgendwelche mögliche Einheiten. Aber weil die Welt nicht das unterschiedslose Eine ist, sondern aus dauerhaften und abzählbaren Objekte besteht ("Hier ist ein Apfel, da ist noch ein Apfel ..."), lassen sich die mathematischen Einheiten empirisch interpretieren (z. B. als Äpfel). pfel).

Das Großartige an der Mathematik ist , dass sie anhand abstrakter Einheiten Modelle entwickelt und verschiedenste Umformungen und Operationen "durchrechnet". Wenn nun ein Bereich der Wirklichkeit im Sinne eines mathematischen Modells interpretiert werden kann, dann können all diese Ergebnisse für diesen Bereich übernommen werden. Eine geniale Erfindung!


Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
   
Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr? (PhilTalk-Diskussion)
    Kants Konzeption synthetischer Urteile a priori *** (42 K)

 

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Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Zahlen, Zählen und Mathematik" / Letzte Bearbeitung 01.06.2010 / Eberhard Wesche

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